Hamburg baut Kinder- und Jugendhilfe ab
Von Guido Sprügel, HamburgWährend in Berlin ein vielversprechendes Kinderschutzgesetz verabschiedet wurde, schreitet der Abbau der Kinder- und Jugendhilfe bundesweit voran. Die teuren, meist individuellen ›Hilfen zur Erziehung‹ sollen durch sogenannte sozialräumliche Angebote ersetzt werden. In Hamburg spüren die freien Träger bereits die Folgen der Umsteuerung.
Eine Mahnwache soll an diesem Freitag daran erinnern, dass sich in der Hamburgischen Landesvertretung in Berlin ein »Expertenworkshop« mit Fragen der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt. Genauer gesagt treffen sich Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände und Vertreter der Länder, um über die »Weiterentwicklung und Steuerung der Hilfen zur Erziehung« zu debattieren. Was sich zunächst sehr wertneutral anhört, ist nach Einschätzung von Kritikern ein weiterer Baustein hin zu einem Paradigmenwechsel in der Kinder- und Jugendhilfe. Denn bald könnte die individuelle Betreuung gefährdeter Kinder, etwa durch Hausbesuche, kaum noch möglich sein, heißt es.
Die »Hilfen zur Erziehung« sind bislang ein bundesweit im Achten Sozialgesetzbuch verbrieftes Recht. Da sie individuell erfolgen, sind sie in der Regel kostenintensiv. »Unsere Hilfen waren darüber hinaus immer aufsuchende Hilfen. Das heißt wir sind zu den Menschen gegangen«, beschreibt Michael Kolle die Problemlage. Wirkliche Kindeswohlgefährdung erkenne man oft erst bei einem Hausbesuch.
Von diesem verbrieften Recht möchten sich zunehmend mehr Bundesländer verabschieden. Die Fälle Jessica und Kevin scheinen vergessen. Da die Länder den Rechtsanspruch durch ein Bundesgesetz jedoch nicht einfach aushebeln können, versuchen sie durch die Verlagerung der Hilfen hin zu sogenannten sozialräumlichen Angeboten den Anspruch zu umgehen. In Hamburg ist dieser Prozess gerade in vollem Gange. Unter sozialräumlichen Angeboten verstehen die Planer eine Einbeziehung von vorhandenen Strukturen im jeweiligen Stadtteil. Bedeutet, dass in Zukunft im schlimmsten Fall die Beratung von Familien in Problemlagen in Jugendzentren oder Kinder- und Familienzentren (KifaZ) stattfinden wird. »Unsere Erfahrung sagt aber, dass gerade diese Menschen in Notlagen sich nicht an Beratungsstellen wenden«, erläutert Kolle.
Der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sieht das anders. Auf einer Veranstaltung in Bergedorf forderte er laut »Bergedorfer Zeitung«, dass man Hilfebedürftige aus dem Haus holen soll: »Mütter könnten zum Beispiel Kochkurse mit ihren Kindern machen.« Und ergänzte, dass er die Mittel für Hilfen zur Erziehung, die in der Regel 5 bis 6 Stunden pro Woche professionelle Unterstützung umfassen, gerne deutlich begrenzen würde. »Es wird keine Qualitätsverluste geben, sondern Steuerungsgewinne. Wir sparen nicht«, äußerte der Senator laut »Bergedorfer Zeitung«.
Bei den freien Trägern klingeln bei diesen Worten die Alarmglocken. Zumal im internen Eckpunktepapier der Stabsstelle Stadtprojekte vom Oktober 2010 sehr wohl zu lesen ist, dass es um die »Senkung der Ausgaben im Bereich der Hilfen zur Erziehung (HzE)« gehen wird. Anstatt der individueller Betreuung von Familien, Kindern oder Jugendlichen in Notlagen soll vermehrt geprüft werden, ob die neuen Hilfen als »Gruppenangebote« angeboten werden können.
Beim freien Kinder- und Jugendhilfeträger MIKO spürt man schon seit einem Jahr, dass die Umsteuerung wirkt. Es wird zunehmend schwerer, Hilfen zu finanzieren. »Die Einzelfallhilfen werden zurückgefahren - trotz wachsendem Bedarf durch immer prekärere Lebensverhältnisse«, beschreibt Kolle seinen Unmut. Dem freien Hamburger Träger basis&woge ergeht es ähnlich. Schlimmstenfalls droht in absehbarer Zeit Mitarbeitern die Kündigung. Das in Berlin gerade beschlossene »Kinderschutzgesetz« wirkt vor diesem Hintergrund wie Makulatur.
Verbrieftes Recht
Es gehe nicht um eine Weiterentwicklung der bisherigen Hilfen zur Erziehung, warnt Michael Kolle, Geschäftsführer des freien Kinder- und Jugendhilfeträgers MIKO aus Hamburg. »Es geht vielmehr um deren Umwandlung in sozialräumliche Angebote. Im Klartext heißt dies ein Wegfall von individuellen Einzelfallhilfen.«Die »Hilfen zur Erziehung« sind bislang ein bundesweit im Achten Sozialgesetzbuch verbrieftes Recht. Da sie individuell erfolgen, sind sie in der Regel kostenintensiv. »Unsere Hilfen waren darüber hinaus immer aufsuchende Hilfen. Das heißt wir sind zu den Menschen gegangen«, beschreibt Michael Kolle die Problemlage. Wirkliche Kindeswohlgefährdung erkenne man oft erst bei einem Hausbesuch.
Von diesem verbrieften Recht möchten sich zunehmend mehr Bundesländer verabschieden. Die Fälle Jessica und Kevin scheinen vergessen. Da die Länder den Rechtsanspruch durch ein Bundesgesetz jedoch nicht einfach aushebeln können, versuchen sie durch die Verlagerung der Hilfen hin zu sogenannten sozialräumlichen Angeboten den Anspruch zu umgehen. In Hamburg ist dieser Prozess gerade in vollem Gange. Unter sozialräumlichen Angeboten verstehen die Planer eine Einbeziehung von vorhandenen Strukturen im jeweiligen Stadtteil. Bedeutet, dass in Zukunft im schlimmsten Fall die Beratung von Familien in Problemlagen in Jugendzentren oder Kinder- und Familienzentren (KifaZ) stattfinden wird. »Unsere Erfahrung sagt aber, dass gerade diese Menschen in Notlagen sich nicht an Beratungsstellen wenden«, erläutert Kolle.
Der Hamburger Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) sieht das anders. Auf einer Veranstaltung in Bergedorf forderte er laut »Bergedorfer Zeitung«, dass man Hilfebedürftige aus dem Haus holen soll: »Mütter könnten zum Beispiel Kochkurse mit ihren Kindern machen.« Und ergänzte, dass er die Mittel für Hilfen zur Erziehung, die in der Regel 5 bis 6 Stunden pro Woche professionelle Unterstützung umfassen, gerne deutlich begrenzen würde. »Es wird keine Qualitätsverluste geben, sondern Steuerungsgewinne. Wir sparen nicht«, äußerte der Senator laut »Bergedorfer Zeitung«.
Bei den freien Trägern klingeln bei diesen Worten die Alarmglocken. Zumal im internen Eckpunktepapier der Stabsstelle Stadtprojekte vom Oktober 2010 sehr wohl zu lesen ist, dass es um die »Senkung der Ausgaben im Bereich der Hilfen zur Erziehung (HzE)« gehen wird. Anstatt der individueller Betreuung von Familien, Kindern oder Jugendlichen in Notlagen soll vermehrt geprüft werden, ob die neuen Hilfen als »Gruppenangebote« angeboten werden können.
Kündigungen drohen
In einer Globalrichtlinie, die zum Jahreswechsel in Hamburg in Kraft tritt, wird der Spargedanke ebenfalls explizit benannt. »Die sozialräumlichen Angebote sollen die Fallzahlen der Hilfe zur Erziehung und die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung begrenzen«, heißt es da.Beim freien Kinder- und Jugendhilfeträger MIKO spürt man schon seit einem Jahr, dass die Umsteuerung wirkt. Es wird zunehmend schwerer, Hilfen zu finanzieren. »Die Einzelfallhilfen werden zurückgefahren - trotz wachsendem Bedarf durch immer prekärere Lebensverhältnisse«, beschreibt Kolle seinen Unmut. Dem freien Hamburger Träger basis&woge ergeht es ähnlich. Schlimmstenfalls droht in absehbarer Zeit Mitarbeitern die Kündigung. Das in Berlin gerade beschlossene »Kinderschutzgesetz« wirkt vor diesem Hintergrund wie Makulatur.
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