Eine sozialraumorientierte, präventive Familienhilfe kann durchaus finanzielles Sparpotential bieten, und zwar dann, wenn Situationen, in denen intensiv-pädagogische oder therapeutische Maßnahmen erforderlich sind, von vornherein vermieden werden können. Dass es sich hierbei um langfristige, zukünftige Effekte handelt, liegt auf der Hand. Und dass es eine solide Basis braucht, auf der die neuen Strukturen und eine veränderte Fachlichkeit aufbauen können, dürfte ebenfalls klar sein. Ein geringer werdendes Finanzvolumen darf nicht Ausgangslage für Veränderung sein. Ein Perspektivenwechsel in einer modernen Sozialen Arbeit, die am Wohle der Kinder, Jugendlichen und ihrer Familien orientiert ist und gleichzeitig eine hohe Professionalität der Mitarbeitenden fordert, braucht – gerade am Anfang des Prozesses – nicht Reduktion, sondern Investition. Eine Verlagerung des Schwerpunktes einer „intervenierenden“ zu einer „präventiven“ Sozialen Arbeit kann nicht gelingen, indem die eine Fachlichkeit gegen die ausgespielt wird, sondern nur als schrittweiser, ganzheitlicher Prozess, der die Einbindung aller Akteure erfordert.
Hinsichtlich des Prozessverlaufs und der aktuellen Diskussion bleiben daher nach wie vor viele Fragen offen.
An die Prozessverantwortlichen:
- Warum wurden die einzelnen Akteure und die Öffentlichkeit nicht in umfassendem Maße in den Prozess eingebunden und über diesen informiert?
- Welche Möglichkeiten der Transparenz und Partizipation sind zukünftig geplant oder können entwickelt werden?
- Welche Änderungen des SGB VIII werden konkret angestrebt?
- Inwiefern soll gewährleistet werden, dass der Rechtsanspruch auf Erziehungshilfe (wie parteiübergreifend bestätigt) weiterhin seine Gültigkeit haben wird?
- Welche alternativen Finanzierungsmodelle gibt es, um die Anfangsinvestition in den Ausbau sozialräumlicher Strukturen zu ermöglichen?
- Inwiefern sind die Professionellen selber zukünftig bereit, eigene sowie organisationale fachliche/perspektivische Veränderungen mitzutragen und mitzugestalten?
- Inwiefern kann das Finanzierungssystem sozialer Hilfen zukünftig transparenter und effizienter gestaltet werden?
Den WissenschaftlerInnen obliegt es, den Diskurs, die Begleitung und Evaluation sozialräumlicher Projekte auch zukünftig fortzuführen, um einer Neuorientierung Sozialer Arbeit die notwendige theoretische Basis zu geben. So ist es z.B. nicht richtig, dass Sozialraumorientierung ambulante Hilfen grundsätzlich ausschließt. Die Wohnung der Betroffenen und das familiäre Leben in dieser gehören ebenso zum sozialen Raum wie Kindertageseinrichtungen oder Schulen. Eine grundsätzliche Bevorzugung gruppenspezifischer Angebote gegenüber Maßnahmen der Einzelfallhilfe kann weder pädagogisch sinnvoll sein, noch ist sie im Sinne des Ansatzes der Sozialraumorientierung.
- Inwiefern ergänzen sich Maßnahmen intervenierender Einzelfallhilfen mit präventiv-orientierten Sozialraum-Ansätzen?
- Welche spezifischen Grundhaltungen und Kompetenzen müssen die Professionellen auf allen Ebenen mitbringen, um einer sozialräumlich ausgerichteten Jugend- und Familienhilfe gerecht zu werden?
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Anmerkungen:
21: zit. n. Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung (Hrsg.): Abschlussbericht zum Projekt Sozialraumorientierung in der Berliner Jugendhilfe (Projekt SRO), Berlin 2008, S.2. url: http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-jugend/jugendpolitik/sozialraumorientierung/abschlussbericht_sro_2008.pdf?start&ts=1220353658&file=abschlussbericht_sro_2008.pdf
22: ebd. S. 2
23: ebd. S. 3 "
Zitiert aus:
http://www.anerkennung-sozial.de/2011/10/teil-4-familienhilfe-zwischen-neuausrichtung-und-sparpolitik/
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