Immer mehr Eltern brauchen Hilfe
Steigerung der Fallzahlen teilweise um mehr als 600 Prozent. CDU/FDP-Mehrheit im Kreistag will Sparkurs beibehalten
Kreis Pinneberg. Kinder, die in der Schule ausrasten, Jugendliche, die sich und andere verletzen - und Eltern, die nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen: Der Bedarf für Jugend- und Familienhilfeleistungen im Kreis Pinneberg wächst. Die Fallzahlen sind von 2005 bis 2009 in einigen Bereichen um mehr als 600 Prozent gestiegen. Damit einher geht ein Anstieg der Kosten: Wurden 2005 noch 21,2 Millionen Euro für Jugendhilfemaßnahmen ausgegeben, waren es voriges Jahr 26,1 Millionen Euro. Die Verwaltungsansätze für den Doppelhaushalt 2011/2012 liegen mit 27,4 beziehungsweise 28,4 Millionen Euro noch einmal weit darüber.
Es gibt unterschiedliche Positionen, wie sich der Kreis verhalten soll
Die Fallzahlen- und die Kostenentwicklung waren am Donnerstagabend Thema im Jugendhilfeausschuss. Streitpunkt in der Politik ist die Herangehensweise: "Wir können nicht gucken, wie viel Geld wir haben und die Anzahl der Fälle deckeln", sagt Thorsten Fischer (SPD), der Ausschussvorsitzende. Er verweist darauf, dass die Familien ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Hilfen haben - und dass es in Zukunft viel teurer werde, wenn der Kreis nicht sofort eingreift."Wir müssen auch die fiskalische Seite betrachten", sagt demgegenüber Heike Beukelmann, CDU-Fraktionschefin und jugendpolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Schließlich sei die Politik auch zuständig für einen durch die Landesregierung genehmigten Haushalt. Falle das Defizit zu hoch aus, werde Kiel einschreiten - und dann gehe es den freiwilligen Leistungen wie etwa der Gewaltprävention an Schulen oder der Schulsozialpolitik an den Kragen. "Mit unserem Präventionskonzept wäre es dann vorbei", sagt Beukelmann.
Sie verteidigt den Sparkurs, den die CDU/FDP-Mehrheit im Kreistag in der Jugendhilfe verfolgt. "Wir lassen die Kinder und Jugendlichen nicht im Regen stehen." Es müsse jedoch erlaubt sein, genauer hinzuschauen. Und da ist Beukelmann etwas aufgefallen: Die steigenden Fallzahlen seien nicht alleine verantwortlich für die Kostenexplosion. "Es haben sich die Fallkosten erhöht", so die CDU-Kommunalpolitikerin. Daher muss nach dem Willen von CDU und FDP mit den Jugendhilfeträgern über Kosten nachverhandelt und, wenn das nichts bringt, notfalls Leistungen neu ausgeschrieben werden.
Die Jugendhilfeträger beklagen ihrerseits, seit November 2010 - damals setzte die Kreisverwaltung eine Prioritätenliste zur Kostendämpfung in der Jugendhilfe in Kraft - kaum noch Fälle zugewiesen bekommen zu haben. "Wir führen bereits Entlassungsgespräche", erläutert Eckbert Jänisch, Geschäftsführer der gemeinnützigen Perspektive. Zwei Kolleginnen in der Familienhilfe - eine in der Probezeit sowie eine länger beschäftigte Fachkraft - müssten gehen. Auch andere Träger haben bereits nach eigenen Angaben Personal entlassen oder, wie es die Arbeiterwohlfahrt (Awo) getan hat, befristet in andere Arbeitsbereiche versetzt.
Spielräume, um beim Personal an der Kostenschraube zu drehen, sieht Jochen Kuik, Leiter ambulante Hilfen bei der Awo Unterelbe, nicht. "Wir bieten studiertes Fachpersonal, das für einen Kostensatz von 40 Euro pro Stunde arbeitet." Kfz-Mechaniker verlangen laut Kuik 60 bis 70, Heizungsbauer sogar 80 Euro.
Jens Petri von der Miko Kinder- und Jugendhilfe widerspricht der CDU, wonach die Kosten pro Fall gestiegen sind. "Das mag in einigen Bereichen stimmen. Grundsätzlich ist aber zu sagen, dass seit 2005 die Fälle um 60 Prozent, die Kosten aber nur um 30 Prozent gestiegen sind." Das bedeute für die Träger eine Arbeitsverdichtung erheblichen Ausmaßes. Petri: "Wir bekommen pro Fall jetzt sogar weniger als vorher."
Wie viel Geld 2011 im Haushalt bereitgestellt wird, entscheidet der Kreistag am 16. März. Im Jugendhilfeausschuss, in dem auch die Träger Stimmrecht haben, wurde mit knapper Mehrheit beschlossen, die 2010 aufgewendete Summe fortzuschreiben.
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