Wirkungsvolle Jugendhilfe Hamburg

Sonntag, 21. August 2011

..vom Gerücht leerer Kassen!


….zunächst vom Gerücht der leeren Kassen!

Die derzeitigen Diskussionen um die Sparmaßnahmen in der Jugendhilfe haben alle einen gemeinsamen Tenor: „- angesichts leerer Kassen“ oder „bedingt durch die explosionsartige Kostensteigerung des Sozialetats…“.  Diese falsche Ausgangslage sorgt für die nötige Verdrehung von Tatbestandsmerkmalen, um moralisch den Boden zu bereiten für die Einsicht beim Bürger, dass er erneut nicht nur „den Gürtel enger schnallen“ muss, sondern vorerst auch keinen Hilfeanspruch zu Gunsten anderer kommunaler Vorhaben beanspruchen darf.   (Aspekt 1)
Dann aber scheiden sich die Geister. Die Einen wollen nach Möglichkeit den Bundesrechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung gleich abschaffen. Den Anderen reicht es, wenn man ihn eindämmt und auf andere Hilfesysteme verweist. Sogleich ist allen klar, sozialräumlich und zuwendungsfinanziert ist gleichzusetzen mit „besser und günstiger“. Alles was freie Jugendhilfeträger in den vergangenen 15 Jahren geleistet haben sollen, ist sich an den Steuergeldern zu bereichern und sich als unersättliche Heuschrecke durch die Haushalte zu mampfen. (Aspekt 2)
Dritter Aspekt ist der der Rückgewinnung der kommunalen Steuerung (-smacht). Nicht nur, dass sich die Leitungen der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendämter) in den letzten Jahren mit den ständigen Anforderungen der Kindeswohlgefährdung auseinandersetzen mussten, vielmehr taucht jetzt das Ärgernis auf, möglicherweise nicht mehr gänzlich über die Mittelverwendung befinden zu können. (Aspekt 3)

…..die Grundlage(n)!
Art. 6 GG
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

§ 1 SGB VIII
Recht auf Erziehung, Elternverantwortung, Jugendhilfe
(1) Jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.


§§ 27 ff. SGB VIII
Hilfe zur Erziehung
(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

UN-Kinderrechtskonvention
Artikel 3 (2) Wohl des Kindes
Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die. zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.

Artikel 4 Verwirklichung der Kindesrechte

Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.

Konkret bedeutet o.g., dass ein jeder Elternteil oder Inhaber der elterlichen Sorge,  ungeachtet der sozialen Situation oder des gesellschaftlichen Standes, einen bundesrechtlich verankerten Anspruch auf Hilfe durch das Jugendamt hat. Dieser Rechtsanspruch ist direkt einklagbar. Der Weg einer Antragstellung beim Jugendamt (den Allgemeinen Sozialen Diensten, ASD) muss dabei eingehalten werden.
Gegenwärtig setzen die Jugendämter alle Hebel in Bewegung, um eine Antragstellung zu vermeiden. So wird den Klienten erzählt, sie müssten sich erst an andere (niedrigschwellige) Beratungsstellen und Projekte wenden oder aber die Leidenssituation sei gar nicht ausreichend, um eine Hilfe zur Erziehung zu erhalten – alles gut aber nichtig!
Wird ein Antrag gestellt so muss er beschieden werden. Sollte ein Antrag abgelehnt werden, geht man damit zum Anwalt und dieser wird, notfalls binnen 24 Std., für die Einrichtung einer Hilfe sorgen. Dieses verdankt sich dem Umstand, dass es sich um ein Bundessozialgesetz handelt (SGB VIII).

Übrigens, was hier eher lapidar dargestellt wird ist zugleich ein wichtig politischer Hinweis: Die Einbettung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes in das Achte Sozialgesetzbuch unterstreicht den unbedingten Willen der Bundesregierung, auch im Hinblick auf die Verwirklichung der UN-Kinderrechtskonvention, an einer intakten Jugendhilfe. Umso absurder ist es, dass das Ganze nun an der Bereitstellung der auskömmlichen Mittel scheitern soll.
An dieser Stelle möchten wir klar betonen, dass es eine Schwierigkeit für die Länder darstellt diese Hilfeleistungen aus dem eigenen Haushalt zu finanzieren – nur eben ist dies kein Argument für den Abbau der Jugendhilfe. Vielmehr müssen sich die Politiker Gedanken um einen Bundes- bzw. Landesausgleich oder aber über Querfinanzierungen machen. Dass der Bürger zum Spielball einer ausbleibenden, vernünftigen politischen Befassung wird ist keinesfalls hinnehmbar. Der Kreis Pinneberg ist ein Paradebeispiel für das Beugen von Sozialrechten. Hier wurden Ende 2010 gleich 50% der ambulanten Jugendhilfe bereinigt, in dem – gedeckt vom Landrat – laufende Hilfen zeitlich befristet wurden und hilfesuchende Menschen schlicht wieder weg geschickt wurden. Einhellig hat in diesem Fall der Fachdienstleitende und die Jugendamtsleitung geleugnet, dass es diese Steuerung gegeben hätte. Das Forum Jugendhilfe (ein Zusammenschluss der freien Träger in dem Kreis) konnte sich bis heute kein Gehör verschaffen und die Politik mobilisieren, sich den Inhalten dieses Szenarios anzunehmen – und heute ist klar warum:
Bei Interesse an einer Vertiefung lesen Sie bitte "Aspekt1", "Aspekt 2" und/oder "Aspekt 3"

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