„Herr Meir, wir müssen Ihnen klar sagen, auch wir sind für eine Begrenzung der Kosten in den Hilfen zur Erziehung!“
Wie kommt es eigentlich, dass sich alle Politiker einig scheinen in der Frage des Haushaltes?
„Die Ausgaben für die Jugendhilfe in Hamburg sind in den letzten Jahren um 100 Mio. Euro gestiegen! Das kann keinesfalls so weitergehen!“ So oder ähnlich äußert sich der junge Politiker der Hamburger Bürgerschaft, die Senatoren haben zwar noch andere Ausdrucksfloskeln, meinen aber das gleiche. Er ist in der Bürgerschaft und hat (wie von Geisterhand) ein Einsehen in die Pläne des Hamburger Kämmerers. „Weißt Du Michael, ist es sehr komplex und aufwendig die Aufstellung des Haushaltes zu verstehen und glaub mir, zur Realisierung aller Projekte ist nicht genug Geld da.“
Vom Gerücht der leeren Kassen habe ich bereits erzählt.[1] Gleichwohl will ich an dieser Stelle noch mal einen anderen Zugang zu o.g. anbieten: Es bedarf schon einer enormen Gedankenleistung, um von dem inhaltlichen Steuerungspapier der BASFI[2] zu einem Verteilungsproblem zu gelangen. Konstituieren wir, dass sich moderner Weise alles unter den unbedingten Sparwillen unterordnen muss. Sparen wird dabei verstanden als mindestens nicht weiter anwachsende Gesamtsumme.
Im Ausgangspunkt müssen wir bei dieser Betrachtung nochmal die Grundeckwerte der gesellschaftlichen Veränderung in den letzten zwei Jahrzehnten Revue passieren lassen. Das Ende des kalten Krieges brachte den Regimesieg des westlichen Kapitalismus über den (nah-)östlichen Kommunismus. Dieser wurde sogleich mit einer Wiedervereinigung durch den Europavater Dr. Helmut Kohl in einen europäischen Gedanken eingebettet. Mit der Öffnung der Grenzen, mit der einheitlichen Währung – dem Euro - nahm die Globalisierung eine neue Geschwindigkeit auf, welche zunächst eines forderte: Investivkapital.
Dr. Kohl kündigte bereits 1995 an, dass Deutschland nun den Gürtel enger schnallen müsste. Und er sollte Recht behalten, auch wenn nicht wirklich alle Menschen gemeint waren. Wie nur lässt sich erklären, dass sich eben in dem Moment der Wiedervereinigung 1990 das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz etablierte? Sollte es doch ein Signal an die einst so unterdrückte und kontrollierte Region der neuen Bundesländer sein, geradezu einen Paradigmenwechsel bekräftigen. Die ersten Paragraphen zeigen deutlich die Position der jungen Menschen, den Eltern und des Staates.[3] Die Neuordnung und Neugestaltung der erzieherischen Hilfen vollzogen sich vor dem pädagogischen Hintergrund von Lebensweltnähe, Familienorientierung und Flexibilisierung. Das bis dato gültige Finanzierungskonzept der Zuwendungsfinanzierung wurde – nicht ohne Hintergrund – durch die Einzelfallfinanzierung abgelöst. Die Fachleistungsstunde (FLS) hielt Einzug als moderne Steuerungsmaßnahme der öffentlichen Verwaltung. Dieses wurde verklärt bei den Pädagogen unter der Annahme es würde sich um eine Ambulantisierung, Regionalisierung und Differenzierung handeln. Schon im Ansatz ging die öffentliche Verwaltung allerdings von ganz anderen Indikatoren aus. Die FLS war der Versuch einen wettbewerbsähnlichen Markt mit Vergleichbarkeiten herzustellen. Die Träger der Jugendhilfe sollten nach gleichen Bewertungspunkten im Preis vergleichbar gemacht werden. Zur Not durfte dann auch der Preis entscheiden.[4] Schon an dieser Stelle lief die Jugendhilfe gezweiteilt und mit unterschiedlichem Verständnis in der Sache los. Die Versäulung der Jugendhilfe war geboren. Die Konkurrenz zwischen den freiwilligen Leistungen und den Hilfen zur Erziehung wird uns später noch beschäftigen. Die Akteure der Sozialen Arbeit machten sich sofort ans Werk und entwickelten hochmotiviert Strukturen für eine wirkungsvolle Einzelfallhilfe. Die Allgemeinen Sozialen Dienste (ASD) entstammten noch aus der Fürsorgetradition und kannten es, im Bezirk für die Familien da zu sein. Damals (1995/96) schrieb der ASD noch Stellungsnahmen für die Bewilligung von Anträgen für einmalige Hilfen zum Lebensunterhalt an die Sozialämter. Dieses brachte den Umstand mit sich, dass die im Milieu lebenden Familien den Sozialarbeiter kannten und sich ihm auch anvertrauten. Eine praktische, lebensnahe Sozialarbeit war umsetzbar. Ich kenne noch die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) mit 15 FLS in der Woche. Sicherung der Versorgung, Sicherung und Förderung der Entwicklung bei den Kindern, Schule und Freizeit waren allgemein die Inhalte der Arbeit. Der Sozialarbeiter hatte dabei die Familie als ganzheitliches System im Blick. Damit meine ich, dass es nicht um separierte Einzelpunkte wie etwa Schulabsentismus ging, sondern die Ursachen für das Verhalten eine wichtige Rolle spielte um nachhaltige Veränderungen zu erzielen und eine Hilfeunabhängigkeit herzustellen. Die Laufzeiten betrugen durchschnittlich 12 bis 18 Monate. Die Ausrichtung für die Klienten stand im Vordergrund.
Die Aufgabenzuteilung in den ASDs wurde zusehends vielfältiger. Die Verwaltungen machten einen Umstrukturierungsprozess nach dem anderen durch. Dabei muss man wissen, dass gerade das Subsidiaritätsprinzip originär dazu taugte um dem Personalabbau zu legitimieren. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung[5] (KGSt) trimmte die öffentliche Verwaltung geradezu auf ein Outsourcing der Superlative. Man war geradezu froh, Freie Träger der Jugendhilfe für die Umsetzung der Einzelfallhilfen zu engagieren. So konnten neben Pensionszusagen und der Personalverantwortung eine Verschlankung betrieben werden, welche nicht zu Unrecht mit „Lean-Management“ tituliert wurde. Ende der 90iger Jahre galt es geradezu als chic, Freie Träger in die Verantwortung für die Erfüllung des Rechtsanspruches zu nehmen. Die Jugendämter konzentrierten sich auf die Fallführung und Kontrolle und sorgten für den reibungslosen Ablauf. War der Klient nicht zufrieden, so wendete sich dieser an den ASD und so konnten ohne große zeitliche Verluste Missverständnisse oder unterschiedliche Erwartungen geklärt werden. Anfang 2001 wuchs die Fallbelastung der Mitarbeiter der ASD. Vermehrt wurde Überlastungsanzeigen der Mitarbeiter registriert. Die Anzahl der Freien Träger der Jugendhilfe wuchs, die Anzahl der in den HzE-Tätigen auch. Mit Beginn 2002 wollte die öffentliche Verwaltung dem wachsenden Bedarf mit einer Verknappung des Angebotes über eine Kontingentierung der Träger entgegnen. Die in Hamburg ansässigen, anerkannten freien Träger sollten von der Fachbehörde (damals noch BSG) zugeteilte Stellenanteile erhalten, welche die Behörde vorher anhand eigener Planzahlen quasi „ausgewürftelt hatte“. Bereits zu diesem Zeitpunkt musste die Hansestadt mittels Klageandrohung von diesem Vorhaben abgebracht werden. Als die Fachbehörde registrierte, dass sie mit diesem Vorhaben nicht durchgreifen konnte, wandte sie sich der Budgetierung zu. Festgelegte Gesamtsummen sollten die Hilfebedarfe in einzelnen Sozialräumen begrenzen.
Die praktische Umsetzung innerhalb der Jugendämter sah die Herabstufung der Fachleistungsstunden auf einen Höchststandard von 5,2 FLS wöchentlich vor. Auch Laufzeitbegrenzungen waren an der Tagesordnung.
Mitten in die Vorhaben einer Steuerung und Begrenzung der Kostenseite, platzten 2004 die Meldungen über zu Tode gekommene Kinder in Hamburg. Die Umstände, unter denen die Kinder jahrelang litten, der Grad der Überforderung der Eltern und die Einsicht aller Politiker, Jugendamtsmitarbeiter und Bürger über die Tatsache, dass es tausende solcher Schicksale „mitten unter uns“ gibt, sorgten für eine Reform der Jugendhilfe. Der § 8a SGB VIII war Reaktion und Ausdruck des Willens, Kinder zu schützen. Dass sich der Gesetzgeber dabei auf die Eingliederung innerhalb der ersten Paragraphen des SGB VIII besann, zeigte zugleich die Ernsthaftigkeit welche dieser gesetzlichen Aufforderung nach aktiver Ausbringung von Hilfe und Unterstützung von Einzelfallhilfen vorangestellt war. Kinderschutz gilt vor allem Anderen! Eine parallele Neuerung für die Akteure innerhalb der Sozialarbeit war die Tatsache, dass man persönlich haftend vom Staatsanwalt in Anspruch genommen wurde. Damit war tatsächlich zum ersten Mal die persönliche Verantwortlichkeit jedes einzelnen Sozialarbeiters angesprochen. Dieses galt auch für die Mitarbeiter der Allgemeinen Sozialen Dienste. Diese artikulierten nun einen Abwägungsprozess zwischen (verordneter) Überlastung und eigener Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen. Bis dato war ein Mitarbeiter eigentlich immer nur innerhalb des ihm angewiesenen Spektrums zuständig. Die Verantwortung – so dachte man – läge bei der Abteilungsleitung.
Bei den Freien Trägern formierte sich zugleich die Forderung nach Qualität und Weiterbildung. Bereits die Debatte um eine Qualitätssicherung hatte in den Vorjahren gezeigt, dass Qualität nur durch die Garantie eines verlässlichen Rahmens der (Sozialen-)Arbeit zu leisten war. Damit meine ich die Rahmenbedingungen wie unbefristete Arbeitsverträge, mindestens tarifliche Löhne, feste Arbeitszeiten, vernünftige Ausstattung (Dienstwagen, Computer, Arbeitsplatz etc.), regelmäßige kollegiale Fallberatung , arbeitsfähige Teams und verlässliche Leitungsstrukturen.
Die Unbestimmtheit mit der sich die Kindeswohlsicherung umsetzen lassen sollte, forderte eine inhaltliche Auseinandersetzung bei den Mitarbeitern. Das Wohl des Kindes, wo fängt es an und wo endet die Kompetenz in der ambulanten Jugendhilfe? Dieses und anderes mehr hat in den Folgejahren unweigerlich dazu geführt, dass zunehmend therapeutische Interventionen Einzug gehalten haben. Systemisches Beratungs- und Therapieverständnis sind mittlerweile selbstverständliche Bestandteile einer Bewerbung als FamilienhelferIn. Die Freien Träger haben sich schneller weiterentwickelt als die Jugendämter. Die Tatsache, dass über den Gesetzgeber ein aktives Ausbringen von Hilfen zur Erziehung verlangt wird, dass über die Medien eine Aufklärung betrieben wurde, welche die Aufmerksamkeit aus allen Richtungen auf Kinder fokussierte, sorgte für Meldungen an die Jugendämter aus Richtung Schule und Kindergärten. Die vorher eher zurückgezogene und heimliche Entwicklung hinter den Türen der Familien war direkt ins „Rampenlicht“ geholt. Quasi über Nacht fragte man sich in der ganzen Republik ob die Erziehung der Kinder und Jugendlichen wirklich von jedem so einfach zu leisten ist?
Der Druck in den Jugendämtern – aber auch bei den Freien Trägern – wuchs fast täglich. Zum ersten Mal zeigte, sich welcher Bedarf in der Bevölkerung besteht. Aus Furcht vor Fehlern und der damit verbundenen staatsanwaltlichen Ermittlungen, wurde jedem Antrag stattgegeben. Die Mitarbeiter der Jugendämter hatten durchschnittlich 120 Fälle zu verwalten, 70 Fälle waren die geplante Obergrenze pro voller Stelle. Die Freien Träger mussten Personal bereitstellen – denn hier galt durch die Fachbehörde vorgegeben, eine maximale Fallbelastung pro Mitarbeiter von 6 Familien. Die Fachbehörde legte ebenfalls großen Wert auf die Verortung der Träger im Sozialraum. So konnte sich eigentlich nur der Träger in einem Sozialraum betätigen, welcher ein Büro bevorratete. Dieses führte dazu, dass sich die Träger an den Bedarfen der Jugendämter ausrichteten und sowohl Personal als auch Arbeitskonzepte weiterentwickelten. Gleichwohl waren die Arbeitsbedingungen für die Sozialarbeiter alles andere als ausreichend. Die tarifliche Veränderung vom BAT zum TVÖD bedeutete eine Absenkung des Lohnniveaus, die psychische Belastung durch die hochbelastenden Inhalte stiegt stetig an, die zeitlichen Vorgaben pauschal mit 5,2 Stunden brutto (also inkl. der An- und Abfahrtzeiten, Zeiten für Dokumentation, kollegiale Fallberatung und Hilfeplangespräche) verschärften den Stress beim Mitarbeiter. Dazu kam ohne Frage die Belastung der Verantwortung im Einzelfall.
Durch den Bezirk Mitte, vertreten durch den Bezirksamtsleiter Martin Schreiber arbeitete Hamburg 2010 gezielt an der Demontage der Jugendhilfe. Dieser behauptete, dass sich die Freien Träger ein „lockeres Leben“ mit dem Steuergeld machen würden und nicht die kontraktlich vereinbarten Stunden leisten. Analog zum Stundennachweiszettel im Handwerk zwang er die Träger zur Abgabe eines von Klienten unterschriebenen Stundenzettels. Dabei ist nicht der Nachweiszettel das eigentliche Anliegen, sondern die grundsätzliche Denunzierung der Sozialarbeit. Dieses Auftreten sorgte dafür, dass sich keiner mehr mit den Versäumnissen in seiner Behörde auseinander setzte. Mit Johannes Kahrs hat Schreiber einen Mitstreiter, welcher ebenfalls höheren Zielen nachjagt. Dass es nicht mehr um die Belange der Menschen, schon gar nicht derer im Bezirk geht, wird deutlich wenn man sich die Homepage des Bundespolitikers ansieht. Auf der Internetseite des Bundespolitikers werden Zitate von Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier rezitiert, welche klar plakatieren, dass es der SPD um eine Vorrangstellung innerhalb der EU geht.
Dabei befinden sich diese beiden SPD-Politiker in guter Gesellschaft. Der SPD Sozialsenator Scheele schlägt ohne Umwege eben in diese gleiche, diffamierende Richtung. So lässt er verlauten: „Freie Träger sind egal“ – und meint damit, dass sich die öffentlichen Verwaltung nicht abhalten lassen das Ruder der Umsteuerung in die Hand zu nehmen. Gespickt mit kleinen rhetorischen Nuancen weist er darauf hin, dass es in dieser Diskussion wahrlich nicht um ein Sparvorhaben geht – schließlich wende Hamburg ja mehr Geld auf denn je! Man wolle nur dem „explosionsartig angestiegenen Kostenverlauf der Hilfen zur Erziehung“ entgegentreten und dafür wären eben die SAE-Projekte bzw. die Neuauflage in Form von SHA-Projekten hervorragend geeignet.[6] Interessant ist, dass die Politik jetzt erst den Umsetzungen der öffentlichen Verwaltung nachjagt und diese Machenschaften rechtfertigt. War es doch der CDU-Senatsdirektor Uwe Riez, welcher bereits 2008 angefangen hatte die These von Wolfgang Hinte so umzudeuten, dass aus einer grundsätzlichen, umfänglichen Ausstattung eines Sozialraums – eine Megasparpaket zur Biegung eines Rechtsanspruches werden sollte. War es doch eben dieser Senatsdirektor welche noch schnell vor seinem Abtritt zum Amtswechsel mit den Bezirken Kontrakte zur Umsetzung Neuer Hilfen und zur Steuerung der Hilfen zur Erziehung schloss. (An dieser Stelle sei schon die erste Erklärung dafür geliefert, warum sich die CDU gänzlich aus der oppositionellen Verantwortung heraus hält: Es war schließlich ihr eigenes „Kind“).
Bevor wir uns der Wirkungsweise und dem Sparpotenzial von SAE und SHA zuwenden, sei noch auf den Umstand abgehoben, dass die SPD auf den gleichen Zug aufspringt und noch nicht einmal im Ansatz versucht etwas Eigenes daraus zu machen. Gleichwohl muss betont werden, dass die Diskreditierung und Diffamierung der Sozialarbeit und ihrer Akteure durch die SPD, sehr wohl ein Alleinstellungsmerkmal in der Hamburger Politik haben dürfte. Die Bezirke in Hamburg sind in einen Benchmarking-Prozess eingebunden. Seit Anfang 2011 haben die Jugendamtsleitungen völlig freie Hand in der Umsetzung des Sparvorhabens. Klar ist allerdings: Wer am meisten spart, erhält eine Prämie!
Auch dieses Vorgehen dürfte wohl historisch gesehen, einmalig so auf den Weg gebracht worden sein. Da wissenschaftlich bewiesen ist, dass die Wirkung der Hilfen zur Erziehung mit nichts zu vergleichen ist, diese allerdings erst ab einer Laufzeit von 12 Monaten (bis 36 Monate) ihre höchste Effizienz entfalten – man in den Jugendämtern aber gerade eine kurze Laufzeit anstrebt und feststellt, dass die Hilfen offenbar nicht greifen – scheint die Methode des Sparens egal geworden zu sein.[7] So ist sich die Jugendamtsleitung in Bergedorf auch nicht zu schade um nach folgendem Motto zu verfahren: „Wir können überhaupt nicht einschätzen, ob die von uns angelegte Steuerung in die SAE und SHA-Projekte den gewünschten Erfolg bringen, aber ausprobieren möchten wir das unbedingt.“ So wundert es Außenstehende auch nicht mehr, dass die Leitung förmlich verärgert darüber ist, dass es kaum interessante SHA Skizzen gibt. Ginge es nach dem Willen der Leitung des Jugendamtes, so wäre mindestens schon jeweils irgendein Projekt (mit einem willigen Träger) dabei die „zugewiesenen Einzelfälle“ zu schlucken. Je länger es dauert, umso weniger Sparpotenzial kann das Jugendamt erreichen und umso ferner rückt der Sieg im Benchmarking, denn schließlich sind die Kollegen aus Mitte bereits Kilometer weiter. Hier hat man bereits mit FABEO einen Projektträger gefunden, der alles zuwendungsfinanziert arbeitet. Auch die eigenen ASDler sind wieder eigenständig in die Fallarbeit eingedrungen und arbeiten die Einzelfälle zumindest bis sie zu anstrengend werden, selber.
Und so funktioniert es: SHA verbindet die verdorrte Säule der offenen Jugendhilfe mit der verheizten Säule der HzE. Damit vollzieht sich gedanklich die Entsäulung im Hammer´schen Sinne. Dr. Wolfgang Hammer ist Vertreter der BASFI und seit Jahrzenten ein Verfechter der offenen Jugendhilfe. Bereits Anfang 2000 erlebten die Hamburger Sozialarbeiter eine offene Auseinandersetzung zwischen den Resources. Dr. Wiedermann – als das Pendant zu Dr. Hammer - vertrat sehr wohl die Auffassung, dass Hilfen zur Erziehung als geeignete Hilfeformen wirksame Interventionen seien – eben aber nur durch den „Freien Markt“ und notfalls eben auch durch die Kontrolle der Angebotslandschaft steuerbar. Durch die Vorgabe einer „Zwangskooperation“ zwischen Trägern der offenen Jugendhilfe und „HzE-Trägern“ vollzieht sich eine Täuschung in Reinform: Die Träger der offenen Jugendhilfe sind über die Zuwendungsfinanzierung mit einer Jahressumme festgelegt. Dabei ist der absolut größte Kostenfaktor die Personalkost. Dieses wiederum ist faktisch in den letzten Jahren abgesenkt worden. Ferner werden über Ecksätze noch Sach- und Betriebskosten refinanziert. Da man den Trägern der offenen Jugendhilfe über Jahre misstraute, setzte man sie über die Anzahl der Nutzer und über die Öffnungszeiten in Konkurrenz zueinander. Im Bezirk setzten sich damit insbesondere die Träger durch, „die am Größten, am Meisten und am Häufigsten“ in der Lage waren, über wie auch immer gelagerte Angebote am Markt aufzutreten. Wen wundert es, wenn Projekte zur politischen Aufklärung oder gar thematischen, präventiven Arbeit ausblieben. Ein Verein zur Aufklärung, Beratung sexualisierter Gewalt blieb klein und unterversorgt und bezirkliche Jugendzentren schwollen auf ein maximales Einzugsgebiet an. Klar ist jedem Fachmann: Hier wird gute Arbeit geleistet, nur eben weiß man nicht so genau wie. Oder andersherum formuliert, diese Ausrichtung ist von Gesetzgeber originär so angelegt. Deshalb befindet sich dieses Segment innerhalb der sogenannten freiwilligen Leistungen im SGB VIII. Dieses sind Maßnahmen, welche aus der Tradition einer staatlichen Förderung von Kindern und Jugendlichen kommen und den pädagogischen Schwerpunkt auf Emanzipation, Selbstorganisation und Autonomie legen. Bekannt geworden ist dieser Teil unter anderem durch die kirchliche Jugendarbeit. Sie zeichnet sich vor allem durch informelle Gruppenzugehörigkeiten aus. Ursprünglich lagen diesen Jugendorganisationen eigene Satzungen und Präambeln zu Grunde, durch welche sich die Jugendlichen sich selber und freiwillig zum Bestandteil einer Gruppe machten.
Mit dem Zusammenfügen dieser beiden „Säulen“ der Jugendhilfe soll in die Finanzierungsart der Zuwendungsfinanzierung gewechselt werden. Dieses verraten bereits die von der SPD neuerdings gebräuchlichen Vokabeln der generellen Gewährleistungsverpflichtung anstatt des Rechtsanspruches auf Hilfen zur Erziehung. § 79 SGB VIII – Gewährleistungsverpflichtung ist eine Begrifflichkeit aus dem Terminus der finanziellen Förderung. Diese Förderung wiederum hebt ab auf eine im SGB VIII grundsätzliche angelegte Verpflichtung (§11ff), deren Umfang und Höhe in eigener Kompetenz des Landes festgelegt wird. Damit ist weiter bewiesen, dass die SPD entweder die Systemlogik des SGB VIII nicht verstanden hat oder sie stringent versucht zu unterminieren! Eigentlich könnte man auf die Idee kommen den Staatsrat Pörksen (SPD) als Juristen ernst zu nehmen und darauf ab zu heben, dass es sich um eine gezielt und bewusst angelegte Kampagne handelt, welche billigend den Rechtsbruch durch die SPD und der Verwaltung in Kauf nimmt. Andererseits wird Pörksens Vorstoß mit dem sog. „Staatsrätepapier der SPD“ in Fachkreisen als dilettantisch belächelt. Prof. Münder ahndet den Versuch gar als „handwerklich missglückt“.
§ 80 SGB VIII Jugendhilfeplanung: Würde man der Logik des Senators Scheele und der BASFI folgen, so ergäbe sich die Einbeziehungsverpflichtung der Jugendhilfeausschüsse, AG § 78 und der Jugendlichen/Familien selber im Rahmen der Partizipation. Die Ergebnisse der Planungsprozesse und die Verpflichtung zur Sicherstellung eines geeigneten Angebotes müssten von dem öffentlichen Jugendhilfeträger gewährleistet werden. Die Beteiligung sah konkret allerdings so aus, dass die Jugendhilfeausschüsse ausgebremst wurden. Der Vorgang in Bergedorf beispielsweise sucht in der Abwicklung seinesgleichen: 2009 hat, unter Vorsitz der heutigen SPD-Vorstandsvorsitzenden Peri Arndt, eine bezirksweite „Planungswerkstatt“ stattgefunden und zahlreiche, sozialraumabhängige Inhaltsangaben mit Bedarfen, Sorgen und Nöten hervorgebracht. Dieses Prozedere ist mit einer absolut überwältigenden Teilnehmerschaft über mehrere Monate richtig gut moderiert und evaluiert worden. Die, zum großen Teil durch ehrenamtliches Engagement, hervorgebrachten Bedarfe sollten als Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung der SAE-Projekte dienen.
Als aber alle in den Startlöchern standen, hakte das Jugendamt – vertreten durch Helmut Lerch (SPD) – ein und erklärte der staunenden Bevölkerung, dass die weitere Ausgestaltung „Sache der Fachbehörde“ sei! Auch in einem Fachgespräch zwischen Fachamtsmitarbeitern, Jugendamtsleitung Bergedorf und Jugendhilfeausschussvorsitzender unter der Leitung von Gaby Spieker, brachte nur Klarheit im Sinne, dass die Jugendhilfeausschüsse künftig nur noch durch Informationen beteiligt werden. Damit ist die Mitwirkung/Partizipation faktisch vom Tisch! Der Jugendhilfeausschuss verkümmert seit dem zu einem Gremium in dem einseitig Informationen umgewälzt werden (übrigens wieder unter SPD-Vorsitz!).
Der Jugendhilfeausschuss Mitte macht es sich dort auf ganz eindrucksvolle Art gleich zum eigenen, getragenen Anliegen: Erst gar keine Beteiligung, weder von Trägern der Jugendhilfe, noch von Adressaten der Jugendhilfe. Hier vollzieht sich die „Chefsache“ in Kooperation der beiden SPD-Sheriffs Johannis Kahrs und Martin Schreiber. Für den Bezirk Mitte soll es diesen ganzen Verschiebebahnhof von „Einzelfallfinanziert nach Zuwendungsfinanziert“ gar nicht geben. Vielmehr werden die HzE-Mittel „umgetopft“ in Personalmittel. Das Jugendamt soll mehr eigene Stellen ausprägen und die vermeidlichen Einzelfälle in Eigenregie arbeiten. Natürlich ganz legal, nur eben an der Subsidiarität vorbei, ohne freie Träger. Diese, das hat die Öffentlichkeit bereits im Vorfeld erfahren, täuschen, bereichern sich und kosten nur Geld.
An dieser Stelle sei auch hingewiesen auf die Leistungen der Presse, welche im vorauseilendem Gehorsam der Propaganda Vorschub leisten und eine Aufklärungsarbeit vermeiden.
Fazit:
Nur gegen gültiges Recht und nur mit grenzüberschreitendem Verhalten schafft es die öffentliche Verwaltung unter Anleitung der amtierenden Regierung, die Kosten in einem Bereich zu begrenzen, welcher ganze 2,3% des Gesamthaushaltes in Hamburg ausmacht. Dieses ist ein Beispiel der Gegenwartspolitik nicht nur in Hamburg. In der Konkurrenz der Parteien fällt es offenbar immer schwerer sich untereinander abzuheben. Um in der nächsten Bundeswahl einen Kanzlerkandidaten stellen zu können, ist die SPD notwendig auf die Wählerschaft der Industrie und Wirtschaft angewiesen. Mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen sind bereits norddeutsche Länder in sogenannte A-geführte Länder überführt. Fehlt eigentlich nur noch Schleswig-Holstein. Zeigt die SPD, dass sie fähig ist, auch in Bereiche einzuschneiden welche als überaus empfindlich gelten, so zeigt sie natürlich auch in die Richtung Wirtschaft, dass sie – die SPD - die Partei ist, welche zu Gunsten des Kapitals zukünftig aufgestellt ist!
[1] S.hierzu: www.jugendhilfehamburg.blogspot.com
[2] BASFI: Steuerung in der JH
[3] Vgl. GG Art. 6 (1) und SGB VIII §1
[4] Weicht er für eine vergleichbare Leistung erheblich ab, durfte die Verwaltung andere Träger einsetzen.
[5] Heute „ Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement“
[6] Der Ursprung ist sicherlich in den sog. Schnittstellenprojekten zu finden (1997/98)
[7] Vgl. hierzu: Michael Macsenaere, Institut für Kinder- und Jugendhilfe (IKJ), Jugendhilfe-Effekte Studie, u.a.
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